𝓚𝓪𝓹𝓲𝓽𝓮𝓵 5

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POV: Talion

Grimmig standen wir uns gegenüber. Auf der eine Seite wir, das Volk der Drachenwandler und auf der anderen Seite unser Feind, das Volk der Eiswölfe.

Sie waren immer noch in Wolfsgestalt, während wir ihnen in unserer menschlichen Form begegneten – nicht, dass sich außer meinem Vater noch jemand in einen Drachen verwandeln konnte. Aber das brauchten sie ja nicht zu wissen.

Nach und nach wechselten auch die Eiswölfe zurück in ihre menschliche Form. Ich erkannte den einzigen Sohn des Königs dicht hinter ihm. Grimmig blickten wir einander an. Früher hatte es eine Zeit gegeben, in der wir uns manchmal getroffen hatten, um unser Bündnis zu stärken. Doch dieses Bündnis war gebrochen und nun musste ich einen ehemaligen Freund als Feind ansehen.

König Roan lächelte uns kalt an. „Wie schön, dass Ihr gekommen seid, König Taurus."

Mein Vater lächelte ebenso kalt zurück. „Aber selbstverständlich. Schließlich müssen wir über wichtige Dinge sprechen."

Ich spürte förmlich, wie sich die Atmosphäre änderte. Auf beiden Seiten spannten sich die Krieger merklich an und ich hörte ihren hektischen Atem hinter mir.

Ein Blick von mir genügte und sie wurden ruhiger. Sie wussten, dass ihnen hier so schnell nichts passieren konnte. Denn jeder, der die Grenze überschreiten würde, wäre tot, noch ehe er etwas sagen konnte. Deshalb blieben wir je auf unseren Seiten und begnügten uns damit, den anderen feindselige Blicke zuzuwerfen, während die Könige weiter verhandelten.

„Verstehe.", sagte mein Vater gerade leise. „Und es gibt keinen anderen Weg als den Krieg?"

Roan schüttelte den Kopf. Auf mich wirkte er fast ein wenig ... bedauernd? „Wir müssen unser Reich ausdehnen. Es ist für viele Tiere zu kalt oben im Norden und das führt dazu, dass wir kaum Nahrung finden. Euer Reich hingegen ... es liegt direkt an unserem und außerdem scheinen hier mehr Tiere zu sein. Um unser Überleben zu sichern, bleibt uns nichts anderes übrig, als gegen euch Krieg zu führen."

Nun betrachtete ich den König der Eiswölfe mit einem anderen Blick. Er war also quasi gezwungen, gegen uns Krieg zu führen, weil er das Überleben seines Volkes sichern musste. Wären wir in dieser Lage gewesen, hätten wir wahrscheinlich das gleiche getan.

„Also ... wird es Krieg geben.", stellte mein Vater mit ruhiger Stimme fest und fuhr sich durch die Haare.

„Ja." Roan warf mir einen langen Blick zu. „Dein Sohn hat sich gut entwickelt."

„Das kann man von deinem auch sagen."

„Morgen um die Mittagszeit treffen wir uns zur ersten Schlacht hier, es sei denn, einem von uns fällt noch etwas ein, wie wir den Krieg verhindern können." Roan blickte uns noch einen Augenblick lang an und wandte sich schließlich zum Gehen. Seine Krieger folgten ihm, ohne, dass er irgendetwas zu ihnen sagte.

Vater wandte sich ebenfalls zum Gehen und wir folgten ihm. Stumm, wie eine große Mauer, schritten wir davon, um unser Lager aufzubauen.

Am nächsten Tag um die Mittagszeit ritten wir wieder zur Grenze. Das restliche Heer war inzwischen eingetroffen und folgte uns mit ein wenig Abstand.

Es war ziemlich wahrscheinlich, dass es heute zu einer ersten Schlacht kam. Dementsprechend waren die Krieger angespannt und schweigsam. Mein Vater hatte zwar heute Morgen noch eine aufmunternde Ansprache gehalten und gesagt, dass wir, sollte es zu einer Schlacht kommen, siegen werden, doch ich wusste, dass das die Krieger nur bedingt beruhigte.

Ich selbst hatte die ganze Nacht wachgelegen und nach einem Ausweg gesucht. Schließlich war mir tatsächlich eingefallen, wie wir diesen Tag ohne eine Schlacht überleben konnten. Ich konnte bisher leider noch nicht mit meinem Vater darüber reden, doch ich war mir sicher, dass er es billigen würde.

Nun standen wir uns wieder gegenüber. Wir, die einst Freunde gewesen waren. Eiswölfe und Drachenwandler.

„Und, Taurus? Hast du eine Lösung gefunden?" Roan eröffnete unser Gespräch ganz ohne irgendwelche Höflichkeiten. Mein Vater schüttelte den Kopf. „Du, Roan?"

Auch der Eiswolf schüttelte den Kopf. „Möchte sonst noch jemand etwas sagen?", fragte er und wandte sich zu seinen Kriegern um.

Jetzt war meine Gelegenheit. Ich trat hinter meinem Vater hervor. „Ja, ich." Meine Stimme hallte durch die eiskalte Luft. Alle schwiegen, in Erwartung dessen, was ich zu sagen hatte.

„Ich habe möglicherweise eine Lösung, die eine Schlacht verhindern könnte." Ich machte eine kleine Pause und achtete genau auf die Krieger um mich herum. Sie sahen zwar immer noch misstrauisch aus, aber es schien, als sei die Anspannung schon ein Stück gewichen.

„Ich habe in den Gesetzen der Krieger gelesen, dass es möglich ist, jemanden zu einem Zweikampf herauszufordern und so eine bestimmte Sache zu entscheiden." Wieder machte ich eine Kunstpause und ließ meine Worte auf die Umstehenden wirken.

„Ich, Talion, erstgeborener Sohn von Taurus, König der Drachenwandler, fordere Rûk, den erstgeborenen Sohn von Roan, König der Eiswölfe, heraus. Es soll ein fairer Kampf sein, der in der menschlichen Gestalt stattfindet und bis zu dem Zeitpunkt geht, da einer der beiden aufgibt. Unser Einsatz soll das Ende des Krieges sein; der Verlierer muss seine Krieger zusammenscharren und die Front verlassen. Es mag ihm aber noch gestattet sein, mit der Gewinnerseite zu verhandeln."

838 Wörter 


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