~ Leyla ~
Während des Mittagessens demonstrierten uns Mira und Raya, was sie heute im Kindergarten gelernt hatten. Da es eine zweisprachige Einrichtung war, sagte meine Enkelin uns das ABC nun gleich auf deutsch und englisch auf, während Raya ein britisches Kinderlied trällerte. Es war wirklich erstaunlich, wie einfach sie diese Sprache innerhalb kürzester Zeit gelernt hatte. Ich war so stolz auf meinen kleinen Sonnenschein!
„Hast du eigentlich schon ein Hotelzimmer für Erfurt gebucht, Zoe?" Ich schob mit die letzte Gabel mit Gnocci in den Mund und sah meine älteste Tochter interessiert an. "Oder schlaft ihr bei einer Freundin von dir?" In zwei Tagen würde sie mit den Zwillingen nach Deutschland fliegen, denn es stand eine Nachuntersuchung von Lillys Herz an. Der Kleinen ging es hervorragend und sie entwickelte sich nach ein paar Startschwierigkeiten mittlerweile prächtig. Dennoch musste ihr Gesundheitszustand regelmäßig überprüft werden, um mögliche Komplikationen zu vermeiden - und das ließen wir immernoch am liebsten am JTK von Elias durchführen. Er war inzwischen zu einem der besten Kinderherzchirurgen geworden und ich hätte keinen anderen an meine Enkelin gelassen. Außerdem vertraute ich ihm blind.
Zoe räusperte sich und sah mich mit einem Blick an, den ich nicht erwartet hatte.
„Wollt ihr zwei vielleicht schon aufstehen und spielen gehen?" fragte sie Mira und Raya und sah sie dabei auffordernd an. Wie einstudiert nickten die beiden gleichzeitig, erhoben sich und sausten von dannen. Kurz runzelte ich die Stirn, dachte mir aber zuerst nichts dabei. Doch als ich anschließend wieder zu Zoe blickte, wunderte ich mich doch ein wenig. Sie wirkte unsicher. Ja, fast schon schuldbewusst und biss sich auf die Unterlippe. Erst wusste ich nicht so recht, wie ich diese Reaktion deuten sollte, doch dann verstand ich schlagartig. Ich ließ meine Gabel reflexartig fallen, welche laut klirrend auf meinem leeren Teller landete.
"Zoe Yasmin Sherbaz, das ist jetzt nicht dein Ernst!" fuhr ich sie etwas forscher als geplant an und setzte mich kerzengerade hin. "Ihr schlaft nicht bei... bei Ben, oder?" Ich merkte, wie sich plötzlich wieder diese Enge in meiner Brust bemerkbar machte.
Zoe starrte auf ihre Hände. „Mama, er hat's mir angeboten. Er meinte, er hat so viel Platz und die Kinder kennen sich doch in der Wohnung aus. Sie haben dort Spielsachen und Rayas Zimmer ist ja auch komplett eingerichtet und..."
„Moment!" unterbrach ich Zoe und hob mit einer abwehrenden Geste die Hände. Ich konnte nicht glauben, was sie mir da gerade durch die Blume sagen wollte. „Du meinst, du nimmst Mira und Raya auch mit? Wie willst du denn mit vier Kindern und dem Gepäck..." ich stockte, da mein Kopf während ich sprach schon weitergedacht hatte. „Sag jetzt nicht, dass du erwartest, dass ich auch mit nach Deutschland fliege?! Zoe, bist du irre?"
Ich fixierte meine älteste Tochter mit meinem Blick. Wie stellte sie sich das eigentlich vor? Jetzt, kurz vor Abreise offenbarte sie mir ihren Plan so ganz nebenbei?