Verkappte Gebrauchsanweisung für ein gutes Leben

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Diese Episode ist in einer Kollaboration mit Musenzeit entstanden.

„Lieber Jamal, wieder eine sehr einnehmende Episode, der erzählerische Einstieg lässt mich an ein Spiegellabyrinth denken. ‚In den Falten des Verhaltens fahndet er nach Poesie'. So schön!" Musenzeit

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„Ja, du hast diese magische Wortqualitäten und lässt einen ganz wundervoll sinnlich reisen. Es liegt am Typ Frau, wohin jede mit so einem Zauber gehen möchte, das Feld ist groß in der Welt der Imagination, ob erotisch oder ganz konkret. Alles zieht seine Kreise, manche Bahnen liegen näher beieinander als andere." Musenzeit

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Ich fühle mich im Textraum mit dir auf einem schön lebendig plätschernden Fluss - wie auf einer Qi-Wirbelsäule - auf dem wir im Kajak unterwegs sind und das Ufer mal hier, mal da ansteuern, sobald sich dort etwas Interessantes abspielt. Ich habe das Bild von Yannik gut vor Augen, wie er da intuitiv entlangpaddelt. Marianne kann das auch schon ganz gut, sie übt dafür täglich ihre Schulter-Arm-Kreise." Musenzeit

Marianne schlägt vor, sich vor dem Schlafengehen in einen angenehmen Zustand zu versetzen. Dazu kann man folgende einfache Übungen machen, um den Vagusnerv zu aktivieren: Augenpressur: Schließe deine Augen und bedecke sie sanft mit beiden Händen, sodass deine Handballen den Bereich der Knochen unter den Augen sanft massieren. Stütze die Ellenbogen auf einem Tisch ab. Nimm dir Zeit, tief zu atmen und entspanne bewusst in diesen Teil deines Körpers.

Summen und Brummen: Atme tief ein, beim Ausatmen brumme und summe auf A, O oder U auf einer dir angenehmen Melodie für einige Minuten. Spüre den Vibrationen in deinem Körper nach. Das kannst du zum Beispiel auch sehr gut unter der Dusche machen.

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Yanniks großspurige Tagträume münden mitunter in einem Spiel mit seiner Liebsten. Für ihn geht es gut zusammen, schlossartig zu Tagträumen und dann mit ganz wenig Ballast in der Realität anzukommen. Es regnet, das nasse Kleid klebt Marianne am Po. Sie guckt vergnügt über ihre gleichfalls belustigte Schulter. Der imaginäre Großsegler wird in Sekunden abgetakelt und ein schöner Moment ergibt sich mit den alltäglichsten Zusatzstoffen. Jetzt ist er hinter ihr, sie streckt sich ihm entgegen. Sie brauchen beide nicht mehr. Alles ist Zustimmung, Einverständnis, Aufladung.

Im Licht eines neuen Tages kommt Yannik auf die Terrasse, mit ihrer nie zu Ende gebauten, rostenden Einfriedung. Er geht zu der Stelle, wo Birken neben Mülltonnen stehen. Vor seinen Augen schlägt ein Bussard eine Maus und steigt schwerfällig mit ihr auf.

Ein Jeep rollt in die Baumgruppe auf dem Scheitel des Hangs, der sich vor dem Anwesen erhebt. Der Geländewagen überfährt eine von Nutzfahrzeugen in die Erde gepresste Spur zwischen Weißdorn. An der Piste läuft ein Bach fort von seiner Quelle, man schöpfte daraus, bevor das Anwesen mit Leitungen an das nächste Ortsnetz angeschlossen wurde.

In der Hitze gießen Arbeiter Sprudelflaschen auf ihren Nacken aus. Schnecken bevölkern Bierflaschen. Salamander sonnen auf Steinen.

Ein Feld aus Korn und Mohn stößt direkt an den Himmel. Eine Lichtwalze überrollt den Schaum aus Blüten. Mücken tanzen in der Aura ihrer Aromen. Kindliche Reiterinnen trecken auf Ponys. Sie grüßen überschwänglich. Ihre Lebensfreude zieht einen Faden durch die Luft, an dem die Wimpel einer schönen Ordnung hängen.

Ein Bauer, der seinen Verstand weitgehend versoffen hat, kommt auf einem Moped vorbei. Er ist auf dem Weg zu einer Kneipe, einem kaum gestalteten Raum, für Fremde nicht identifizierbar; frequentiert nur von Entgleisten aus der Gegend.

Der Bauer auf dem Moped wurde von seinen Frauen aus dem Haus gejagt. Er schläft in einem Wohnwagen. Seit Jahren wirkt niemand mehr auf seine Verkommenheit ein. Er geht öffentlich vor die Hunde.

Yannik schlendert zu dem Reiterhof nebenan. Es gibt bissige Pferde, regelrechte Schläger. Schreckhafte Tiere. Sie berauschen sich an gegorenem Fallobst. Immer wieder kommt es zu Unfällen. Während ihnen der Sattel aufgelegt wird, pressen manche Pferde Luft in ihre Leiber, so dass unter dem aufgesessenen Reiter der Sattel rutschte. Sie berauschen sich an gegorenem Fallobst.

Gerda schmeißt den Laden mit ihrem Schwiegervater Gunter seid ihr Mann (der junge Gunter) mit Ende Dreißig an Krebs gestorben ist. Der alte Gunter wuchs an Ort und Stelle auf einem Bauernhof auf. Sein rossnärrischer Vater besaß schließlich drei Trakehner, zwei Stuten, Mutter und Tochter, und einen Hengst, der als Enkel dazugekommen war. Sein Sohn stellte weitgehend auf Haflinger und Shetlandponys um und stieg aus der Landwirtschaft aus. Er setzt gern Holzstöße in Brand, brät Äpfel in der Glut und erzählt von Clochards, denen er als junger Mann in Paris begegnet ist. Er beschreibt sie als zufriedene Menschen, die sich mit Rotwein und Weißbrot und einer launigen Philosophie unter den Brücken der Seine amüsierten. Gunter schneidet Gras manchmal noch mit der Sense (die Dingel-Musik des Wetzsteins), die Sense fährt in verborgene Kitzkörper. Die aufgerissenen Leichname dienen der Anschauung. Auf den Tod der Kreatur reagiert Gunter triumphierend. Vor Mitleid warnt er. Yannik registriert die manische Ausdauer bei den Beschwörungen einer grausamen Natur. Für ihn ist das nichts Neues. Er ist mit solchen Belehrungen aufgewachsen. Man musste wegstecken können. Die Leute lehnten sich gegen gnädige Perspektiven auf. Sie waren rau mit Absicht. Allenfalls an einer Peripherie der Geläufigkeit fiel mir etwas anderes auf als rumpelnde Aktionen. Das waren kleine Unternehmen im Kraut.

Die Pferde, Hunde und Katzen auf Gerdas Hof bieten einen erfreulichen Anblick. Zur Stammmannschaft gehören Mädchen, die sich um ihre Ponys, kümmern, sie bewegen, abreiben und striegeln. Einige können ohne Sattel reiten und voltigieren. Alle lassen sich von behinderten Stallknechten necken. Kleine Zumutungen dulden sie mit dem Gelächter der Ergebenheit.

Gerda betreibt ihren Hof auch als geschützte Werkstatt. Sie bietet dem Nachbarn einen Kaffee in ihrer Reiterstube an. Der Raum liegt unter der Scheune im Stall. In besseren Zeiten waren größere Erwartungen damit verbunden. Das sieht man noch. Jetzt ist alles verstaubt und vergammelt. Yannik registriert alte Sättel, Zaumzeug, Schautafeln voller Ehrungen, erblindete Pokale, Schwarzweißfotos von Turnierszenen und Schnitzereien rund um die Reiterei.

Gerda leuchten die Ideen der Selbstversorgung ein. Sie liest Groschenromane, in denen Autarkie verherrlicht werden. Darin ziehen sich Leute in eine Unwegsamkeit zurück, um autark glücklich zu werden. In diesen Heften wird stets ein apokalyptisches Programm verbreitet. Die Menschheit steht am Scheideweg. 


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